Die Wolken ziehen ab, der Himmel klart auf, die Sonne strahlt. Plötzlich erklingt ein leises Geräusch. Links, rechts, vorne, hinten – überall. Es scheint aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen. Sekunden später schon wieder. Es sind die Heliostate – über 2.000 an der Zahl. Automatisch ändern diese Spiegel ihre Position. Immer der Sonne hinterher. Sie fangen das Sonnenlicht ein – als ob sie alle zusammen einen riesigen Hohlspiegel bilden würden. So werfen sie die Sonnenstrahlen gebündelt auf die Spitze eines 60 Meter hohen Turms – genau zum sogenannten Receiver – dem „Herz“ der Anlage. In diesem Empfänger entstehen durch das konzentrierte Sonnenlicht hohe Temperaturen. Damit wird im Inneren der Anlage Wasser in Dampf verwandelt – und der treibt eine Turbine zur Stromerzeugung an.
Wäre es jetzt noch 15 Grad wärmer, könnte man fast meinen, man befände sich weit im Süden. Denn normalerweise werden solche solarthermischen Kraftwerke in typischen Sonnenschein-Regionen errichtet: in den Wüsten des Nahen Ostens und Nordafrikas, in Amerika oder in Spanien. Aber hier spricht man Deutsch. Denn wir sind im beschaulichen Jülich. Richtig gelesen: Jülich in Nordrhein-Westfalen. Eine Stadt mit knapp 34.000 Einwohnern, fünf Grundschulen, einer Stadtbücherei, Parks, Cafés – im Großen und Ganzen also eine ganz normale Kleinstadt irgendwo in Deutschland. Vielleicht nicht ganz normal, denn immerhin befindet sich genau hier eine große Forschungseinrichtung: das Forschungszentrum Jülich. Und eben auch das Solarkraftwerk, das die Fachhochschule Aachen und das DLR gemeinsam nutzen.
Bei der riesigen Anlage handelt es sich um ein Versuchskraftwerk. Um Stromerzeugung geht es hier daher nur eher nebenbei. Vielmehr stehen Forschung und Entwicklung im Mittelpunkt. Trotzdem kann die Anlage immerhin rund 400 Haushalte mit „sauberem“ Strom versorgen. Wenn die Sonne scheint … Wenn nicht, dann kommt ein Speicher zum Einsatz: Er wird bei schönem Wetter regelmäßig auf „Betriebstemperatur“ gebracht und gibt seine Hitze an die Turbine ab, wenn es bewölkt ist. Mit der „gespeicherten Sonne“ kann die Turbine daher auch bei Wolken weiter angetrieben werden.
Solarkraftwerk ist nicht Solarkraftwerk
Auf der Versuchsplattform arbeiten Wissenschaftler – und natürlich immer auch Wissenschaftlerinnen – aus Jülich mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom DLR aus Köln und weiteren Einrichtungen zusammen. Im Teamwork entwickeln und erproben sie neue Ideen. Und wenn sie mal bei den verschiedenen Testläufen etwas überprüfen oder verbessern müssen, haben sie hier – anders als in der großen Testanlage von Almería im Süden von Spanien – ihre Labore, Rechner und Büros direkt in Reichweite.
Ach so: Was das Besondere an diesem Kraftwerk ist? Andere Solarkraftwerke – vor allem mit sogenannten Parabolrinnen – sind schon länger im Einsatz. Doch die Technik der Turmkraftwerke ist noch recht neu. Daher muss man an diesem Typ auch noch mehr forschen und weiterentwickeln. Die Fachleute hoffen, in ein paar Jahren mit solchen Turmkraftwerken Sonnenstrom zu geringeren Kosten erzeugen zu können.