Der Prozess der Erstarrung liefert die Ausgangsposition für die Bildung des inneren Werkstoffaufbaus (Gefüge oder Mikrostruktur), der wiederum die Werkstoffeigenschaften festlegt. Strömungen in der Schmelze, hervorgerufen durch Dichte-, Temperatur- und Konzentrationsunterschiede oder durch das Gießen als solches, lassen sich bei irdischen Gussprozessen nicht vermeiden. Die durch sie hervorgerufene Durchmischung der Schmelze verändert die Erstarrungsbedingungen. Daraus resultieren ein deutlich anderes Materialgefüge und als Folge davon auch andere Materialeigenschaften. Bis heute ist der Einfluss von Strömungen während des Erstarrungsprozesses auf die Ausbildung der Mikrostruktur und damit auf die Eigenschaften des Werkstoffs nur halbquantitativ verstanden.
Um ein quantitatives Verständnis zu erhalten, wie Strömungen das Gefüge von Legierungen beeinflussen, werden Erstarrungsexperimente unter kontrollierten Bedingungen ohne und unter dem Einfluss erzwungener Strömungen durchgeführt:
Die Strömungen werden durch elektromagnetische Drehfelder (rotierendes Magnetfeld) angeregt. Dabei ist die Probe von drei Spulenpaaren umgeben, die in einer Dreieckschaltung mit einer Drehstromquelle verbunden sind. Die Spulen agieren als Anker und die Probe als Rotor eines Drehstrommotors. Mit dem sich verändernden Feld dreht sich die elektrisch leitende Probe mit (Abb. 1). Bei einer magnetischen Induktion von 6mT und einer Frequenz von 50Hz werden Strömungsgeschwindigkeiten bis zu einigen mm/s erreicht.
Als Probenmaterial werden klassische Aluminium-Gusslegierungen verwendet werden, die typischerweise im Motoren- oder Flugzeugbau eingesetzt werden. Diese Experimente sind die Grundlage für neue theoretische Modelle zur Beschreibung der gerichteten Erstarrung unter dem Einfluss von Konvektionen und bilden die Basis zur Verbesserung industrieller Gussprozesse.
Abb. 3 zeigt im Vergleich zu Abb. 2 die Wirkung eines rotierenden Magnetfeldes (RMF) auf die technische Legierung A357 (Al-7wt.%Si-0.6wt.%Mg). Deutlich ist eine strömungsbedingte Anreicherung des Siliziums im Probenzentrum zu erkennen. Während der Erstarrung scheidet sich eine Aluminium-reiche Phase in Form von langen Kristallen mit Seitenästen aus.
Derartige Strukturen werden daher als „baumartig“ oder dendritisch bezeichnet. Der Abstand einzelner Seitenarme ist ein Maß für die Festigkeit eines Werkstoffs. Je feiner das Gefüge ist, desto fester ist der Werkstoff. An AlSiMg-Legierungen (Abb. 4) und AlSiCu-Legierungen wurde mit zunehmender magnetischer Induktion bzw. zunehmender Strömungsgeschwindigkeit beobachtet, dass unter dem Einfluss des Drehfeldes die Abstände der Seitenarme nicht nur größer werden, sondern dass diese Vergröberung um so schneller geschieht, je stärker gerührt wird.