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News-Archiv 2010

Ein gewaltiger Hangrutsch im 9000 Meter tiefen Mars-Talkessel von Melas Chasma

8. Oktober 2010

 Perspektivischer Blick von Südwest nach Nordost auf Melas Chasma
zum Bild Perspektivischer Blick von Südwest nach Nordost auf Melas Chasma

 Senkrechte Draufsicht auf Melas Chasma in Echtfarben
zum Bild Senkrechte Draufsicht auf Melas Chasma in Echtfarben

An keiner anderen Stelle des Sonnensystems sind auf so kurzer Distanz derartig große Höhenunterschiede zu beobachten, wie an den Gräben der Valles Marineris, einem System von Tälern, das sich über fast viertausend Kilometer entlang des Marsäquators erstreckt. Im Gebiet Melas Chasma bricht dort die Ebene des Marshochlands jäh um mehr als neuntausend Meter ab. Die hier gezeigten Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen riesige Hangrutschungen, Fließstrukturen und Ablagerungen von Sulfaten in Melas Chasma.

Der Talboden des hier vorgestellten Melas Chasma, der "schwarzen Schlucht", einem zentralen Abschnitt der Marineris-Gräben, ist eine der am tiefsten liegenden Regionen auf der Marsoberfläche. Lediglich im Einschlagsbecken Hellas gibt es auf dem Planeten noch tiefer gelegene Stellen. Die Bilder zeigen einen etwa 200 Kilometer mal 100 Kilometer großen Ausschnitt aus Melas Chasma, das entspricht etwa der Größe von Rheinland-Pfalz. Die Bildmitte befindet sich bei zehn Grad südlicher Breite und 290 Grad östlicher Länge. Die Auflösung beträgt etwa 23 Meter pro Bildpunkt.

 Höhenkodierte topographische HRSC-Bildkarte von Melas Chasma
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Die farbkodierte Höhenkarte, die aus Stereobilddaten der High Resolution Stereo Camera (HRSC) berechnet wurde, lässt erahnen, wie gewaltig der Höhenunterschied dieses Grabens ist: Die tiefsten Stellen des Beckens liegen bei minus 5000 Metern, das umgebende Plateau erreicht eine Höhe von etwa plus 4000 Metern. Die angegebenen Höhenwerte beziehen sich auf einen Referenzkörper, den so genannten Areoid (nach Ares, griechisch für Mars), der in Ermangelung eines Meeresspiegels - der auf der Erde als Bezugsniveau für Höhenangaben dient - heran gezogen wird.

Spuren von fließenden und stehenden Gewässern

Im westlichen Teil des Beckens sind stellenweise Fließstrukturen und auf dem umgebenden Hochplateau alte Talsysteme zu erkennen. Im Südwesten der Szene sind helle, geschichtete Ablagerungen zu sehen: Dort hat sich vermutlich einmal ein stehendes Gewässer, ein See, befunden. Das französische Spektrometer OMEGA auf Mars Express identifizierte diese Ablagerung als Sulfate wie Gips oder Kieserit. Das sind wasserhaltige Minerale, die deutliche Anzeiger für Wasser sind, das demnach einst im flüssigen Zustand in dieser Gegend des Mars vorhanden war. Mit den hoch aufgelösten HRSC-Stereobilddaten lassen sich die Sulfatvorkommen genau lokalisieren.

 Melas Chasma im Anaglyphenbild - mit einer Rot-Grün- oder Rot-Blau-Brille entsteht der 3D-Effekt
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An der nördlichen, oberen Kante des Grabens ist eine riesige Hangrutschung zu sehen (Ausschnitt 1 im Übersichtsbild). Dabei brachen viele Kubikkilometer Gesteinsmaterial aus dem Hang und wurden in den Talgrund von Melas Chasma geschoben, wo die Gesteinstrümmer als Schuttfächer zu erkennen sind. Die Oberflächenstruktur des rauen Fächermaterials unterscheidet sich von der eher glatten Oberfläche des weiter südlich im Becken abgelagerten Materials. Möglicherweise wirkte Wasser in den abgerutschten Gesteinsmassen als eine Art "Schmiermittel", wie Fließstrukturen auf der Oberfläche des weit in die Talmitte geschobenen Materials andeuten (Bildausschnitt 2).

 Senkrechte Draufsicht auf Melas Chasma mit Erläuterungen
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Alte Störungen möglicherweise Auslöser für die Hangrutschungen

Auf dem Hochplateau im Nordosten (Bildausschnitt 3), sowie im Becken von Melas selbst sind vereinzelt die Reste von Talsystemen zu sehen. Sie sind durch Material, das wahrscheinlich vom Wind dorthin verfrachtet wurde, fast bis an ihren Rand aufgefüllt worden. Die Orientierung des größeren Talverlaufs parallel zur Abbruchkante lässt vermuten, dass dieser ursprünglich einer tektonischen Störung folgte, deren Hauptrichtung parallel zu den großen Störungszonen liegt, die auch die Valles Marineris und Melas Chasma einst aufbrechen ließen: Es ist denkbar, dass alte Störungszonen in diesem Gebiet zur Instabilität der Hänge beitragen und diese dann kollabieren konnte.

 Perspektivischer Blick von Süd nach Nord auf einen Bergrutsch in Melas Chasma
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Im Becken von Melas und an höher gelegenen Stellen des Hanges sind helle Ablagerungen zu beobachten (Bildausschnitt 4). Die meisten dieser Ablagerungen bestehen aus Sulfaten und wurden vermutlich in einem See gebildet. Die Höhenlage dieser Ablagerungen würde damit vermutlich die Mindesthöhe des Sees widerspiegeln. Bei dem dunklen Material etwas südlich der Sulfatschichten handelt es sich um Sicheldünen, deren Material vom Wind transportiert und später hier deponiert wurde. Da der See zu dieser Zeit bereits verschwunden war, sind die Dünen wesentlich jünger als die Sulfatablagerungen.

 Senkrechte Draufsicht auf den Nördlichen Teil von Melas Chasma
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 Topographische Übersichtskarte des zentralen Teils der Valles Marineris
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Die Bilder entstanden am 6. Juli 2006 während Orbit 3195 von Mars Express aus einer Höhe von etwa 470 Kilometern über der Marsoberfläche. Die Farbansicht wurde aus dem (senkrecht blickenden) Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC erstellt, die Schrägansichten wurden aus Bildern der Stereokanäle der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Verwendung einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die Schwarzweiß-Bilder sind Nadiraufnahmen, die von allen Bildaufnahmen die höchste Auflösung haben. Die höhenkodierte Bildkarte wurde aus dem digitalen Geländemodell abgeleitet, das aus den Nadir- und Stereokanälen errechnet wurde.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.


Kontakt
Henning Krause
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Kommunikation

Tel.: +49 2203 601-2502

Fax: +49 2203 601-3249


Zuletzt geändert am: 11.10.2010 11:27:15 Uhr
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