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Alex bei einem Experiment im japanischen ISS-Modul Kibo. Bild: NASA, ESA
Alex bei einem Experiment im japanischen ISS-Modul Kibo. Bild: NASA, ESA
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Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst war während seines Aufenthaltes auf der ISS an mehr als 100 wissenschaftlichen Experimenten beteiligt. Jeder dieser Versuche war von Wissenschaftler-Teams aus Deutschland oder vielen anderen Ländern entwickelt worden – und sie alle warteten gespannt auf die Ergebnisse. Und immer wieder ging es bei diesen Experimenten darum, Erkenntnisse zu gewinnen, die man anschließend auf der Erde nutzen kann.

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Auch die Augen werden untersucht. In Schwerelosigkeit ändert sich der Augeninnendruck, da sich die Körperflüssigkeiten im Organismus anders verteilen als auf der Erde. Bild: NASA, ESA
Auch die Augen werden untersucht. In Schwerelosigkeit ändert sich der Augeninnendruck, da sich die Körperflüssigkeiten im Organismus anders verteilen als auf der Erde. Bild: NASA, ESA

Alex führte medizinische Versuche an sich selbst durch – oftmals mit Bezug zur Medizinforschung auf der Erde. Denn in Schwerelosigkeit kommt es im Organismus zu Veränderungen, wie sie auch bei „normalen“ Menschen stattfinden. So altert die Haut schneller – man kann den Prozess wie im Zeitraffer verfolgen. Ein anderes Beispiel ist der Knochenabbau, von dem Astronauten ebenso betroffen sind wie Osteoporose-Patienten auf der Erde. Auch Blutproben, Sehtests und viele andere Untersuchungen gehörten zu dem medizinischen Teil des Experiment-Programms. Neben den medizinischen Versuchen standen viele materialwissenschaftliche Untersuchungen im Mittelpunkt des Forschungsprogramms.

Medizinische Forschung – dazu gehören auch immer wieder Blutproben. Bild: NASA, ESA
Medizinische Forschung – dazu gehören auch immer wieder Blutproben. Bild: NASA, ESA

Was passiert in flüssigen Schmelzen? Wie durchmischen sich Flüssigkeiten? Das sind Fragen der Grundlagenforschung, häufig aber auch mit konkretem Nutzen für industrielle Anwendungen. Denn wenn man auf der Erde zwei Materialien erhitzt und verschmilzt, spielen sich im Innern Prozesse ab, die wichtig für die Qualität der Werkstoffe sind – man kann diese Abläufe nur dummerweise im irdischen Labor nicht gut untersuchen. Denn auf der Erde werden sie von der Schwerkraft beeinflusst, sodass man sie nicht „isoliert“ und „lupenrein“ betrachten und messen kann. Genau das aber ist in Schwerelosigkeit möglich – und mit den Ergebnissen lässt sich dann auch auf der Erde vieles verbessern. Hier haben wir einige Experimente, die Alex durchgeführt hat, etwas ausführlicher beschrieben.

Hautveränderungen in Schwerelosigkeit

Alex mit einem Temperatur-Sensor. Gleichzeitig ist er an der Handschuhbox mit einem Experiment zur Verbrennungsforschung beteiligt. Bild: NASA, ESA
Alex mit einem Temperatur-Sensor. Gleichzeitig ist er an der Handschuhbox mit einem Experiment zur Verbrennungsforschung beteiligt. Bild: NASA, ESA

Die Haut ist das größte Organ des Menschen – und ein sehr wichtiges: Sie schützt uns, wir fühlen mit ihr, spüren Druck und Schmerzen über Nervenzellen in der Haut, nehmen Temperaturen wahr und geben Körperwärme über die Haut ab, wenn wir schwitzen. Frühere Untersuchungen – etwa beim deutschen ESA-Astronauten Thomas Reiter – haben gezeigt: Die Haut altert in Schwerelosigkeit schneller als auf der Erde. Sie wird dünner und gröber – wie das im Alter auch passiert, nur eben wie im Zeitraffer. Alex nimmt an einer Reihenuntersuchung teil, bei der verschiedene europäische und amerikanische Astronauten diese Prozesse messen. Da wird unter anderem mit bestimmten Sensoren der Feuchtigkeitsgehalt der Hautzellen ermittelt und alles mit einer Spezialkamera dokumentiert. An dem Experiment sind die Privatuniversität Witten/Herdecke und Firmen beteiligt. Hier mehr zu diesem Thema.

Schwebende Metalle

Alex baut die EML-Anlage ein. Bild: NASA, ESA
Alex baut die EML-Anlage ein. Bild: NASA, ESA

EML ist der Name einer großen Anlage für materialwissenschaftliche Experimente. Die Abkürzung steht für den „Elektromagnetischen Levitator“. Der Begriff Levitation heißt nichts anderes als „schweben“. Vereinfacht gesagt passiert in der Anlage folgendes: Eine Metallprobe befindet sich in der Mitte einer Magnetspule – und zwar eben schwebend. Sie wird aufgeschmolzen und erstarrt anschließend. Was dabei genau passiert, können die Wissenschaftler live vom Boden aus verfolgen – und sie können sogar per Datenverbindung eingreifen und zum Beispiel den nächsten Schmelzvorgang vorprogrammieren und auch die Temperaturen (zwischen 400 und 2.000 Grad Celsius) einstellen. Eine Hochgeschwindigkeitskamera zeichnet das Geschehen in der Anlage auf, andere Instrumente messen berührungslos die exakte Temperatur der Probe.

Eine Metallprobe wird in einer Magnetspule aufgeschmolzen. Bild: DLR
Eine Metallprobe wird in einer Magnetspule aufgeschmolzen. Bild: DLR

Das genauere Verständnis solcher Schmelz- und Erstarrungsvorgänge ist wichtig für viele industrielle Arbeiten. Im Gießereiwesen und in vielen anderen Bereichen, wo Metalle verarbeitet werden, hängt davon die Qualität der Produkte ab. Das kann ein Motorblock für ein Auto sein oder ein Teil, das später in ein Flugzeug eingebaut wird. Apropos eingebaut: Alex hat nicht nur einfach Experimente in der Anlage durchgeführt, sondern er hat sie überhaupt erst einmal in die ISS eingebaut und in Betrieb genommen! Hier Infos der ESA dazu.

Emulsionen: Wie sich Flüssigkeiten vermischen

Tröpfchen spielen im Experiment zu Emulsionen eine große Rolle. Bild: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung
Tröpfchen spielen im Experiment zu Emulsionen eine große Rolle. Bild: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Weißt du, was eine Emulsion ist? Du benutzt jeden Tag welche und nimmst sie sogar zu dir: Milch zum Beispiel – oder auch die Mayonnaise auf den Pommes. Emulsionen sind Mischungen von zwei Flüssigkeiten, bei denen die eine kleine Tröpfchen in der anderen bildet. Auch Hautcreme ist eine solche Emulsion. Das Problem dabei: Die kleinen Tröpfchen lösen sich nach einiger Zeit auf. Ziel der Forschung ist es daher, Emulsionen stabiler und länger haltbar zu machen. Dabei ist offenbar entscheidend, was an der Grenze zwischen den beiden Flüssigkeiten passiert, also an der „Grenzfläche“. Dem gehen Forscher des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung bei einem ISS-Experiment nach, das Alex durchgeführt hat. Hier weitere Infos dazu.