Thomas Reiter

Schon als Kind war der am 23. Mai 1958 geborene Thomas Reiter fasziniert vom Weltall und hatte einen klaren Berufswunsch: Astronaut. Dies erschien zu der damaligen Zeit jedoch noch unrealistisch – Raumflüge wurden von den Amerikanern und Russen absolviert, ein Deutscher war noch nicht darunter gewesen.

Der begeisterte Segelflieger machte nach dem Abitur sein Hobby zum Beruf und blieb nach der Grundausbildung als Berufssoldat bei der Luftwaffe. Sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München setzte dieses Interesse nahtlos fort. Nach seinem Abschluss 1982 als Diplom-Ingenieur machte er auf der amerikanischen Sheppard Air Force Base in Texas eine Ausbildung zum Jet-Piloten.

Der Zufall kam ihm zur Hilfe, als die Europäische Weltraumorganisation ESA 1989 Piloten und Wissenschaftler für die zweite Astronautengruppe suchte. Als einer von sechs weiteren Glücklichen wurde Thomas Reiter 1972 aus 22.000 Kandidaten ausgewählt. Es folgte eine sechsmonatige Grundausbildung, bevor Reiter 1993 für die Mission Euromir 95 ausgewählt wurde. Diese Mission war die zweite ESA-Mission zur Raumstation Mir im Rahmen einer Reihe von Vorbereitungsflügen für das europäische Weltraumlabor Columbus auf der Internationalen Raumstation ISS. Reiters weitere Ausbildung fand daraufhin im Sternenstädtchen bei Moskau statt. Die Nominierung zum Bordingenieur kam im Mai 1995.

Die Mission Euromir 95 war eine Premiere: Mit 179 Tagen war sie die längste bemannte Raummission der ESA. Der Start erfolgte am 3. September 1995 vom Kosmodrom in Baikonur in Kasachstan. Etwa zwei Tage später erreichten Reiter und seine Kollegen ihr Ziel und dockten an die Mir an. Und noch eine weitere Premiere brachte die Mission mit sich: Reiter führte als erster Deutscher einen Außenbordeinsatz durch. Während seines Aufenthalts führte Thomas Reiter 41 wissenschaftliche Experimente aus verschiedenen ESA-Mitgliedsstaaten durch.

Nach seiner Rückkehr zur Erde trainierte Reiter weiter im Sternenstädtchen, bevor er 1997 wieder zur Luftwaffe abkommandiert wurde. 1999 kehrte er jedoch zur ESA zurück, um für eine Langzeitmission auf der ISS zu trainieren. Im April 2005 gab die ESA bekannt, dass Thomas Reiter der erste Europäer sei, der für eine Langzeitmission auf der Internationalen Raumstation vorgesehen ist. Die Astrolab-Mission sollte den Grundstein für die künftige Nutzung des Columbus-Labors auf der ISS legen und war auf zirka fünf Monate ausgelegt. Nach einigen Verschiebungen des Starts konnte die Mission am 4. Juli 2006 losgehen: Vom Kennedy Space Center in Florida ging es mit der STS-121 Mission zur ISS. Als erster Europäer führte Thomas Reiter lebenswichtige Aufgaben auf der ISS aus und war verantwortlich für Navigation, Lagekontrolle sowie Überwachung der Umweltbedingungen und der Lebenshaltungssysteme. Zusätzlich führte er 19 Experimente durch, bevor er am 22. Dezember 2006 nach 171 Tagen im Weltraum wieder Gravitation spürte.

Insgesamt verbrachte Reiter 350 Tage im All. Vom 1. Oktober 2007 bis 15. April 2011 war er Mitglied des DLR-Vorstands und zuständig für die Bereiche Raumfahrtforschung und -entwicklung. Von April 2011 bis Dezember 2015 war er Leiter des ESA-Direktorats für Bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb mit Sitz in Darmstadt. Seit 2016 ist Thomas Reiter ESA-Koordinator internationale Agenturen und Berater des Generaldirektors.