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Die totale Sonnenfinsternis am 8. April 2024

Totale Sonnenfinsternis 1999 in Frankreich
Im August 1999 ereignete sich eine totale Sonnenfinsternis über Mitteleuropa.
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Luc Viatour / https://Lucnix.be / via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

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In wenigen Tagen, am 8. April 2024, wird nach mehr als zwei Jahren wieder eine durchgehend totale Sonnenfinsternis zu sehen sein. Der Kernschatten des Mondes trifft gegen 16:40 Uhr Weltzeit (18:40 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit, MESZ) in der Südsee 60 Kilometer nördlich des Penrhyn-Atolls auf die Erde und zieht von dort entlang eines bis rund 200 Kilometer breiten Streifens über Mexiko, die USA und Kanada hinweg. Danach setzt er seinen Weg auf dem Nordatlantik fort und löst sich gegen 22 Uhr MESZ etwa 1.400 Kilometer vor der französischen Westküste wieder von der Erde.

Außerhalb dieser relativ schmalen, fast 15.000 Kilometer langen Zone der Totalität, die der Kernschatten des Mondes in dreieinviertel Stunden durcheilt, wird man das Naturschauspiel vom gesamten mittel- und nordamerikanischen Kontinent (außer Alaska), Grönland, Island und Spitzbergen aus als partielle Finsternis beobachten können. So werden zum Beispiel auch die Azoreaner – klare Sicht vorausgesetzt – frühabends in den Genuss kommen, eine teilverdunkelte Sonne zu betrachten, bevor sie in die Wellen des Atlantiks „eintaucht“. Der 2351 Meter hoch gelegene Vulkankegel Ponta do Pico böte dort sicherlich eine gute Aussicht auf das Naturgeschehen.

Eine totale Sonnenfinsternis hat einen einmaligen Reiz. Kaum einer hat sie mit Worten eindrücklicher und bewegender beschrieben als der böhmisch-österreichische Schriftsteller Adalbert Stifter (1805 bis 1868). So schreibt er unter anderem über die Sonnenfinsternis vom 8. Juli 1842, die er in Wien beobachtete: „Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, von Schauer und Erhabenheit so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens.“

Das schlagartige Aufleuchten der Sonnenkorona, welche die vom Mond total abgedeckte Sonnenscheibe maximal rund siebeneinhalb Minuten lang umsäumen kann, versetzt Menschen jedes Mal aufs Neue in Erstaunen und Entzücken. Die maximal mögliche Totalitätsdauer wird allerdings erst wieder am 16. Juli 2186 erreicht. Zwischen dieser Sonnenfinsternis in gut 162 Jahren und derjenigen, die wir jetzt erleben werden, besteht ein jahrtausendelang bekannter Zusammenhang, gehören doch beide Finsternisse dem solaren Saroszyklus 139 an, einer Finsternisfamilie, deren Stammmutter zu Kolumbus' Zeiten am 17. Mai 1501 als partielle Sonnenverfinsterung zwischen Grönland und Nordkanada ins Leben trat und die nach 70 weiteren Finsternissen am 3. Juli 2763 mit einer ebensolchen Finsternis vor der Ostantarktis aussterben wird. Was es mit dem Saroszyklus auf sich hat, wurde schon an anderer Stelle beschrieben und kann nochmals hier, erweitert auf andere Finsterniszyklen, nachgelesen werden. Aber auch ohne sich in komplexe himmelsmechanische Überlegungen zu verlieren, lässt sich die Zugehörigkeit einer Finsternis zu einer bestimmten Saroszyklus anhand dessen geographischem Bodenspurmuster erkennen.

The Great American Eclipse 2.0

Schon im Jahr 2017 wurde die totale Sonnenfinsternis vom 21. August in den USA als Great American Eclipse gefeiert, lag doch die letzte, die ebenfalls von der West- bis zur Ostküste verlief, bereits 99 Jahre zurück. Dass nun nach nur sieben Jahren der Kernschatten des Mondes erneut, diesmal von Südwest nach Nordost, über den nordamerikanischen Kontinent hinwegzieht und das zudem mit fast doppelter Breite wie 2017, ist ein glücklicher Umstand, der die amerikanischen Medien aufs Neue begeistert und sie von der Great American Eclipse und einem Once-in-a-livetime-event sprechen lässt. Die nächste günstige Situation wird sich erst wieder am 12. August 2045 ergeben, wenn dank eines Neumonds in Erdnähe (Perigäum) ein noch breiterer Kernschatten quer über die USA vom Pazifik bis zum Atlantik hinwegeilt. Auch der Startrampenkomplex 39, von dem aus die legendären Apollo-Missionen ins All abhoben, wird dann in Cape Canaveral sechs Minuten lang in den Schatten desjenigen Himmelskörpers getaucht, deren Missionsziel er war.

Keine Sonnenfinsternisbrillen im Mittelalter
Schon im 16. Jahrhundert beobachtete man eine Sonnenfinsternis auf sichere Weise mittels Projektion; aus: Problematum astronomicorum et geometricorum sectiones septem von Daniel Santbech Noviomago, Basel 1561
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Daniel Santbech Noviomago, Basel 1561

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Nach einer knapp anderthalbstündigen „Reise“ über den Pazifik trifft der Kernschatten am kommenden Montag gegen 18:05 Uhr Weltzeit bei Mazatlán (Mexiko) auf den amerikanischen Kontinent. Zehn Minuten später beginnt nahe Nazas im mexikanischen Bundestaat Durango die Phase der Totalität, wo sie mit stolzen vier Minuten und 28 Sekunden auf der Zentrallinie ihre maximale Dauer bei wetterstatistisch optimalen Bedingungen erreicht. Bereits zehn Minuten später überquert der Kernschatten die Landesgrenze zu den USA und zieht danach gut eine Stunde lang bei abnehmender Sonnenhöhe durch 15 US-Bundesstaaten sowie das nordöstliche Kanada. Gegen 19:40 Uhr Weltzeit verlässt er in New Brunswick das nordamerikanische Festland. Bis dorthin hat sich die Totalitätsdauer auf der Zentrallinie des Kernschattenweges auf drei Minuten und 16 Sekunden verringert, was immer noch knapp eine Minute länger ist als die totale Phase der Sonnenfinsternis vom 11. August 1999, an die sich hierzulande noch viele erinnern werden.

Unabdingbar: das Augenlicht schützen

Wie immer muss jeder, der die allmähliche Verfinsterung der Sonne durch den Mond mit dem bloßen Auge verfolgen möchte, sein Augenlicht mit einer qualifizierten, geprüften Sonnenfinsternis-Brille, bekannt als SoFi-Brille, schützen. Mit einer solchen Schutzbrille vor Augen darf man jedoch auf keinen Fall die Sonne weder durch ein Fernglas noch ein Teleskop beobachten. Hierfür gibt es entsprechende Schutzfolien und Filter, die vor dem Objektiv angebracht werden. Okularsonnenfilter sind zu vermeiden, da sie von der Sonnenstrahlung stark erhitzt werden und unversehens platzen können. Weitere ausführliche Informationen dazu finden sich an dieser und jener Stelle. Nur während des kurzen Zeitraums der Totalität, der hundertprozentigen Bedeckung der Sonnenscheibe, kann, ja sollte man die Schutzbrille abnehmen, um sich die total verfinsterte Sonne umgeben von einem Strahlenkranz (Korona) anzuschauen. Rechtzeitig vor dem Ende der Totalität ist die Brille dann unbedingt wieder aufzusetzen!

Langzeitbelichtung eines Kometen
25-minütige Aufnahme des Kometen 12P/Pons-Brooks vom 19. März 2024 mit einem 11-Zoll Rowe-Ackermann Schmidt Astrographen und gekühlter CMOS-Kamera.
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2024 Michael Jäger

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Ein Komet zur Finsternis ...

Zur Sonnenfinsternis am 8. April wird sich zufällig der viel beachtete Komet 12P/Pons-Brooks gesellen. Dieser Komet, im Jahr 1812 von Jean-Louis Pons (1761 bis 1831) entdeckt und im Jahr 1883 von William Robert Brooks (1844 bis 1921) wiederaufgefunden, umläuft ähnlich wie der Halleysche Komet die Sonne in rund 71 Jahren und erreicht dabei im Aphel seiner stark geneigten elliptischen Bahn eine Distanz zur Sonne, die etwas größer als der Sonnenabstand des Planeten Neptun ist. Das Perihel, den sonnennächsten Punkt seiner Bahn, wird der Komet am 21. April 2024 erreichen; zuletzt geschah dies am 22. Mai 1954. Bekannt ist der Komet wegen häufiger Gasausbrüche seines großen Kerns, in deren Folge die Helligkeit innerhalb weniger Stunden sprunghaft ansteigt. Auch im Juli 2023 ereignete sich in einem Sonnenabstand von vier Astronomischen Einheiten (AE) ein solch gewaltiger Ausbruch und ließ den Schweifstern um das Hundertfache heller werden als zuvor. Bisweilen verleihen diese Materieausbrüche der Kometenkoma eine gehörnte Form, weshalb der Komet auch als „Teufelskomet“ bezeichnet wird.

Kometenaufnahme von 1882
Der Sonnenfinsterniskomet Tewik X/1882 K1 tauchte plötzlich im Mai 1882 während einer Sonnenfinsternis am äußeren Rand der Sonnenkorona auf. Er war der erste seiner Art, der neben der verdunkelten Sonne fotografiert wurde.
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Public Domain

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Der hochaktive Komet Pons-Brooks wird also am 8. April 2024 zusammen mit der Sonne am Tageshimmel stehen und sich 25 Bogengrad von ihr entfernt in der Nähe des Planeten Jupiter aufhalten. Schätzungen zufolge wird seine scheinbare Helligkeit dann viereinhalb Größenklassen betragen, das heißt er wird im Visuellen etwa zweieinhalbmal schwächer leuchten als der bekannte Andromedanebel. Auch unter klaren Sichtbedingungen wird er während der Totalität nicht mit bloßem Auge zu erkennen sein, zum einen, weil sich seine Helligkeit diffus auf einer Fläche verteilt, zum anderen, weil die Dauer der Totalität für eine vollständige Dunkeladaption des Auges nicht ausreicht. Zudem wird der Himmel während der totalen Bedeckung nicht stockfinster wie in einer mondlosen Nacht, sondern er bleibt im Ganzen aufgehellt. Der Horizont erscheint nahezu vollständig ringsum in Dämmerlicht getaucht. In diesem fahlen Licht werden zwar helle Sterne und Planeten bis zur zweiten Größenklasse sichtbar, aber keine schwach leuchtenden diffusen Objekte.

Angesichts dieser Umstände dürften nicht wenige auf den Gedanken kommen, den Kometen während der Totalität mit Hilfe eines Feldstechers aufzusuchen. Doch Achtung: Die Suche nach dem Kometen mit einem Fernglas in der Hand ist nur dann sicher, solange der Mond die Sonne noch vollständig bedeckt. Schon ein versehentliches, unachtsames „Hinübergleiten“ über die Sonne mit dem Auge am Glas wenige Sekunden nach dem Ende der totalen Phase, hätte fatale Folgen. Es bleibt zu hoffen, dass die Medien vor Ort davor hinreichend warnen.

... aber kein Finsterniskomet

Besser und sicherer sind freilich all jene dran, die sich eines Teleskops und einer Kamera bedienen, sei es, um ausschließlich den Bereich um die Sonne fotografisch zu erfassen oder um den Kometen in einem größeren Gesichtsfeld „miteinzufangen“. Helle Kometen, die während einer totalen Sonnenfinsternis mit ihrem Schweif am Himmel (plötzlich) sichtbar werden, gab es in der Vergangenheit immer wieder. Man bezeichnet sie als Finsterniskometen. Der letzte dieser Kometen war Hale-Bopp, der bei der totalen Sonnenfinsternis am 9. März 1997, minus 0,7 Größenklassen hell, ungefähr 46 Bogengrad von der Sonne entfernt am Tageshimmel stand. Die völlige Bedeckung der Sonnenscheibe war damals von der Mongolei, Sibirien und China aus zu sehen an Orten, die oft nur auf abenteuerliche Weise erreicht werden konnten. So verwundert es nicht, dass man heute in den Archiven des Internets nur ein einziges Bilddokument eines japanischen Expeditionsteilnehmers findet, welches die Sonne zusammen mit Hale-Bopp zeigt, obschon der Komet in vielen Reiseberichten erwähnt wird.

Ein anderer, nur acht Sonnenradien, das heißt zwei Bogengrad von der Sonne entfernter heller Finsterniskomet datiert auf das Jahr 1948. Ein weiterer Komet, der während der Totalität am 16. April 1893 in der Sonnenkorona entdeckt wurde, wird nach einer Revision der Fotoplatten und Aufzeichnungen heute eher für einen abgerissenen koronalen Materieauswurf gehalten.

12P/Pons-Brooks wird nicht in die Klasse dieser hellen, selten sichtbaren Kometen aufsteigen so wie auch Tausende von lichtschwachen Kometen, die man an der Sonne mit Hilfe satellitengestützter Koronographen zufällig entdeckt hat.

Beschleunigte Dämmerung dank Sonnenfinsternis

Wenngleich Pons-Brooks ohne optische Hilfsmittel am 8. April visuell nicht zusammen mit der verfinsterten Sonne zu sehen sein wird, kann sich die Finsternis dennoch in anderer Weise günstig auf seine Sichtbarkeit auswirken. In Westeuropa, insbesondere für Orte südlich von Bordeaux, wo sich die Totalitätsphase circa 13 Bogengrad unterhalb des Horizonts abspielt, wird der Komet abends rund zehn Bogengrad über dem Westhorizont zu beobachten sein. Die Abschattung des Sonnenlichts unter dem Horizont beschleunigt nun gewissermaßen die normale Abenddämmerung, sodass der Komet dann, weil es dunkler ist, auffälliger wird. Ebenso bestünde eine gewisse Chance auch das schwach leuchtende Zodiakallicht wahrzunehmen. Die genauen Sichtbedingungen hängen freilich vom jeweiligen Standort und dem Zustand der Atmosphäre ab.

Die „gekrönte“ Sonne beim Stern der Weisen

Ein bislang kaum beachteter Aspekt ist, dass sich die Sonnenfinsternis am 8. April 2024 fast genau dort im Sternbild der Fische ereignet, wo im Jahr 7 vor Christus eine große Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn stattfand. Diese dreifache Nahbegegnung der beiden Gasriesen wird seit dem Bestreben des Astronomen Johannes Kepler (1571 bis 1630), das wahre Geburtsjahr Jesu herauszufinden, oft mit jenem „Stern“ in Verbindung gebracht, der den Weisen aus dem Morgenland den Weg nach Bethlehem gewiesen haben soll. Viel ist über den biblischen Stern im Laufe der Zeit spekuliert, analysiert, interpretiert und geschrieben worden, wie auch hier; die Diskussion darüber, welches astronomische Ereignis ihm wohl am besten entspräche, wird noch lange weitergehen ...

Fresko in den Priscilla-Katakomben
Die vermutet älteste Darstellung des biblischen Geburtssterns zu Beginn des dritten Jahrhunderts findet sich auf einem Fresko in den Priscilla-Katakomben Roms.
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CC BY-SA 3.0 DEED

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Millionen Menschen werden also am 8. April ihren Blick dorthin richten, wo rund zweitausend Jahre zuvor babylonische Sternkundige eine besondere Planetenkonstellation gesehen haben, die später metaphorisch und im Einklang mit einer alttestamentlichen Prophezeiung als „aufgehender Stern“ in das Matthäusevangelium eingeflossen sein könnte. Dennoch dürfte das zufällige Zusammenfallen der beiden zwei Jahrtausende auseinanderliegenden Ereignisse am nahezu gleichen Ort der Himmelsphäre die Great American Eclipse nicht zu einer historisch bedeutsamen Finsternis machen, wie es unzweifelhaft die Einstein-Eddington-Finsternis vom 29. Mai 1919 ist. Diese wohl bahnbrechendste Sonnenfinsternis aller Zeiten, deren Resultate anhand weniger beobachteter Sterne das physikalische Weltbild auf ein neues Fundament stellten, ereignete sich nebenbei im Sternbild Taurus.

Moderne Bildverarbeitungstechniken
Durch Anwendung moderner Bildverarbeitungstechniken gelang es vor einiger Zeit, die erhalten gebliebene Kopie einer Fotoplatte der Einstein-Eddington-Finsternis in höchster Auflösung zu reproduzieren.
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ESO/Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl/F. W. Dyson, A. S. Eddington, C. Davidson

Die Internationale Raumstation – ein exklusiver Aussichtspunkt

Auf der Internationalen Raumstation ISS, die in anderthalb Stunden die Erde in rund 400 Kilometern Höhe einmal umkreist, wird sich im Verlauf der gut dreistündigen totalen Sonnenfinsternis auch eine „optimale“ Gelegenheit ergeben, den über die Erde hinwegeilenden Kernschatten zu sehen und zu filmen, wie es schon bei anderen Finsternissen geschah. Ob dabei auch die Chance bestünde, einen Schnappschuss der verfinsterten Sonne zusammen mit den Kometen Pons-Brooks zu schießen, bleibt fraglich. Ein entsprechendes Bild mit Mond und Mars, welches der Astronaut Alexander Gerst am 28. Juli 2018, 15 Stunden nach einer totalen Mondfinsternis, während seiner Horizons-Mission auf der ISS gewinnen konnte, lässt jedoch hoffen.

Ein anderer Blickwinkel
Über dem irdischen Luftmeer erlaubt die Internationale Raumstation eine einzigartige, mitunter magisch anmutende Perspektive auf astronomische Ereignisse wie hier auf die totale Mondfinsternis vom 27. Juli 2018.

Abschließend sei auf drei Übersichtsseiten, unter anderem mit Hinweisen auf geplante Live-Streams, verwiesen:

sowie auf eine umfangreich informierende Link-Kollektion, in der sich der Enthusiasmus für das bevorstehende Naturschauspiel widerspiegelt.