So wird Wind zu klimafreundlicher Wärme
- Mittels Windthermie lässt sich Wärme direkt aus Windkraft erzeugen – CO2 frei und damit klimafreundlich.
- Das DLR erforscht diese Technologie und untersucht auch das wirtschaftliche Potenzial sowie Einsatzmöglichkeiten.
- Dazu hat es eine Testanlage aufgebaut: Sie besteht aus einer kleinen Windenergieanlage und allen Komponenten zur Wärmeerzeugung in einem Container.
- Schwerpunkte: Energie, Windenergieforschung
Strom aus Windkraft ist ein wichtiger Pfeiler der Energiewende. Windenergie lässt sich aber auch nutzen, um sie direkt in Wärme umzuwandeln. Diese Wärme kann einfach und preiswert erzeugt und gespeichert werden. So könnte zum Beispiel der Einsatz von Erdgas für das Heizen von Häusern und in der Industrie stark reduzieren werden. Die Windthermie ist als Technologie bisher wenig bekannt, hat aber großes Potenzial: Denn Wärme fürs Heizen oder für industrielle Prozesse macht rund die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs aus. Damit der Energiesektor die Klimaziele erreichen und möglichst CO2-frei werden kann, muss auch Wärme auf erneuerbaren Wegen produziert werden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht deshalb in einem Projekt die technologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Windthermie. Sie ist ein Ansatz, um den Wärmesektor zu dekarbonisieren und flexibler zu machen. Dazu hat das DLR-Institut für Flugsystemtechnik mit Unterstützung der beiden DLR-Institute für Technische Thermodynamik und für Vernetzte Energiesysteme einen ersten Prototyp entwickelt, aufgebaut und in Betrieb genommen. Mit Hilfe dieser kleinen Testanlage soll in den nächsten Jahren gezeigt werden, dass diese Technologie in der Praxis funktioniert und für bestimmte Anwendungen auch im industriellen Maßstab geeignet ist. Dies ist vor allem der Fall, wenn Erzeugung und Nutzung der Wärme eng beieinander liegen.
„Der entscheidende Vorteil der Windthermie ist, dass wir direkt Wärme erzeugen. Das erhöht den Wirkungsgrad, weil wir uns einen Umwandlungsschritt sparen. Bisher nutzt man zum Beispiel gerade nicht benötigten Strom aus Windkraft, um daraus Wärme zu erzeugen und diese zu speichern. Dabei hat man einen Schritt mehr und entsprechend hohe Verluste bei der Umwandlung von Bewegungsenergie in Strom und dann erst Wärme“, beschreibt Projektleiter Malte Neumeier vom Institut für Flugsystemtechnik.
Wind-Wärme: klimafreundlich und effizient fürs Heizen und Industrieprozesse
Einsatzmöglichkeiten für Windthermie sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überall dort, wo Wärme auf niedrigem und mittlerem Temperaturbereich bis rund 300 Grad Celsius benötigt wird. Dazu zählen die Nah- und Fernwärmeversorgung von Gebäuden sowie viele Prozesse in der Papier-, Karton- oder Lebensmittelindustrie. Auch Anlagen für das Entsalzen von Meerwasser oder das Heizen von Gewächshäusern könnten von Windthermie profitieren.
Eine weitere Anwendung sind Hochtemperatur-Wärmespeicher: Sie speichern die Wärme auf einem Temperaturniveau bis 600 Grad Celsius über mehrere Tage und Wochen. Wenn der Wind nicht weht, kommt diese Wärme zum Einsatz, um Strom zu produzieren. Im Vergleich zu elektrischen Speichern wie Batterien sind Wärmespeicher wesentlich kostengünstiger.
Realisieren ließen sich Windthermie-Anlagen als dezentrale Kleinwindenergieanlagen, die Wärme bis zu 100 Grad Celsius bereitstellen, ebenso wie als große Windparks, die Hochtemperaturwärme bis zu 600 Grad Celsius ermöglichen könnten.
Erster Praxistest: Wärme erzeugen, speichern und Messdaten sammeln
Die DLR-Pilotanlage steht in Celle auf dem Gelände des Herstellers der Windenergieanlage PWS-Energiesysteme und setzt sich aus zwei Teile zusammen: einer kommerziell verfügbaren kleinen Windenergieanlage und einem Container. Dieser beinhaltet alle Komponenten, um die Bewegungsenergie des Winds in Wärme umzuwandeln. Die Windenergieanlage ist 22 Meter hoch und hat eine Dauerleistung von 15 Kilowatt – das entspricht in etwa dem jährlichen Energiebedarf eines Einfamilienhauses. Das Team um Malte Neumeier hat den elektrischen Generator ausgebaut und die Anlage für den neuen Einsatzzweck modifiziert. Hauptteil der „thermischen Plattform“ im Container ist eine spezielle Bremse, in der Fachsprache hydrodynamischer Retarder genannt. Sie erzeugt und regelt die Wärme abhängig von der jeweiligen Anwendung. Ein Warmwasserbecken dient als Wärmespeicher. „Wir gehen davon aus, dass sich windthermische Anlagen mit weniger Komponenten realisieren lassen als stromerzeugende Anlagen. Das könnte auch mit einem geringeren Gewicht, weniger Kosten für Investition, Wartung und Betrieb und einer geringeren Anfälligkeit für Störungen einhergehen“, erläutert Neumeier.
Schnell in die Umsetzung – mit bereits erhältlichen Komponenten
Für eine schnelle Entwicklung hin zur industriellen Anwendung arbeiten die DLR-Forschenden soweit wie möglich mit bereits am Markt erhältlichen Komponenten. „Wir sind optimistisch, dass sich so diese Technologie vergleichsweise einfach nach oben skalieren lässt – also in eine Größe übertragen, die in der Praxis benötigt wird“, blickt Projektleiter Malte Neumeier in die Zukunft. Im Fokus der Arbeiten mit dem Prototyp stehen die Optimierung und Weiterentwicklung der Technologie sowie Analysen zur Wirtschaftlichkeit und das Erstellen von Anwendungsszenarien. Dazu gehört zum Beispiel, die Komponenten zur Wärmeerzeugung aus dem Container in die Gondel der Windenergieanlage zu verlagern. So sollen die mechanischen Verluste verringert und der Wärmetransport optimiert werden.
Einen Einblick in dieses neue Forschungsgebiet gibt das DLR auf dem Hamburg Innovation Summit am 2. Juni 2022 und zeigt erstmals den Prototyp der thermischen Plattform (Altonaer Fischauktionshalle, Expo, Stand 25).