Sonstiges | 06. Januar 2011 | von Jan Wörner

Wikileaks und die Folgen für das DLR

Die Veröffentlichung von US-amerikanischen Dokumenten hat in den vergangenen Wochen für Aufregung bei den Medien und in der Öffentlichkeit gesorgt. Die neuesten "Enthüllungen" von Wikileaks betreffen nun auch Aktivitäten des DLR im Bereich der Raumfahrt. Zwei Dinge müssen jetzt geschehen: Man muss erstens die "Informationen" kritisch zur Kenntnis nehmen und man sollte zweitens über Konsequenzen im Einzelnen sorgfältig nachdenken.

Anfang Januar erschienen mehrere Artikel in den Medien, die von einem angeblichen deutsch-amerikanischen Spionagesatelliten berichteten und zugleich ein Bild eines sehr gespannten Verhältnisses zwischen Frankreich und Deutschland im Bereich der Raumfahrt zeichneten.

Das DLR plant keinen Spionagesatellit!

Die Projektidee für einen nationalen optischen Satelliten HIROS basiert auf den Überlegungen, den erfolgreichen Radarzwillingen TerraSAR-X und TanDEM-X eine optische Fähigkeit hinzuzufügen. Seit ca. zwei Jahren wird im DLR der Projektvorschlag für einen hoch auflösenden, optischen Satelliten diskutiert. Die angedachte Anwendung von HIROS umfasst die Bereitstellung von hochaufgelösten optischen Daten für verschiedene Nutzungsbereiche, wie zum Beispiel im Krisenmanagement bei Naturkatastrophen und für wissenschaftliche Nutzungen. HIROS ist kein Spionagesatellit, ebenso kein geheimes Projekt. Die Informationen über die technischen Daten von HIROS sind seit 2009 im Internet verfügbar.

Das DLR ist vom Wert internationaler Kooperationen überzeugt!

Frankreich ist ein wichtiger und solider Partner Deutschlands, dies gilt in besonderem Maße für die vom DLR vertretenen Bereiche Luft- und Raumfahrt. In der Luftfahrtforschung existiert mit der Schwesterorganisation ONERA eine langjährige Partnerschaft, insbesondere im Bereich der Hubschrauber und der Windkanalnutzung, im Bereich Raumfahrt ist es die französische Raumfahrtagentur CNES, mit der uns vieles verbindet. Neben den regelmäßigen Kontakten in der Europäischen Weltraumorganisation ESA sind es die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Institutionen und die nunmehr schon mehrjährige persönliche Freundschaft mit Yannick d´Éscatha, dem Präsidenten der CNES, die die Basis für die enge Kooperation darstellen. Die enge Kooperation hat jüngst unter anderem auch zu dem gemeinsamen Satellitenprojekt MERLIN zur Erforschung des Methans in der Atmosphäre geführt. Natürlich gibt es hin und wieder zu einzelnen Themen auch unterschiedliche Positionen, industriepolitische Vorstellungen und auch Wettbewerb. Letzteres darf aber nicht zu der irrigen Auffassung führen, dass Frankreich als "Gegner" gesehen wird. Gerade die Tatsache, dass man zu verschiedenen Themen die intellektuelle Diskussion pflegt und letztlich einen Konsens herbeiführt, ist Beweis für die Qualität einer starken Partnerschaft.

Konsequenzen

Für mich persönlich ist der ganze Vorgang eine Aufforderung, die Kooperationen mit anderen Ländern engagiert und transparent anzugehen. Dies betrifft auch die Aktivitäten in der ESA und der EU. Ich hoffe, dass die gewachsenen institutionellen und persönlichen Beziehungen gerade jetzt die dazu erforderliche Stärke haben, um in Vertrauen die nächsten Schritte zu entwickeln.

Gleichzeitig ist es für mich aber auch ein Hinweis, die von mir im Laufe der letzten vier Jahre wiederholt geforderte Umsetzung der Einheit von Entscheidung, Verantwortung, Legitimation, Kontrolle und Partizipation auch über die Grenzen des DLR hinaus mit Nachdruck weiter voranzutreiben.

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite