Luftfahrt | 26. April 2010 | von Jan Wörner

Ein Vulkan bricht aus und beeinflusst ganz Europa - ist der "Spuk" jetzt vorbei?

Zwei Tage nach dem erfolgreichen Flug der DLR-Falcon ist der Luftraum auch über Deutschland wieder freigegeben worden. Zwar spuckt der Vulkan Eyjafjalla immer noch Lava und Asche, doch der Deutsche Wetterdienst (DWD), die Deutsche Flugsicherung (DFS) und das Verkehrsministerium (BMVBS) haben auf der Grundlage der aktuellen Wetterdaten den Flugbetrieb wieder zugelassen. Das DLR hat nach Auftrag zwei weitere Flüge durchgeführt, die Aufregung hat sich gelegt oder – besser gesagt - verlagert.

Nach dem ersten erfolgreichen Flug der Falcon, der die Aschewolke eindeutig nachwies, meldete das DLR:

"Der mehr als dreistündige erfolgreiche Flug des DLR-Forschungsflugzeuges hat umfassende ergänzende Informationen zur Aschewolkensituation über Deutschland erbracht. Die wissenschaftlichen Ergebnisse wurden am Dienstag an das Bundesverkehrsministerium übergeben. Nach Abschluss des Fluges wurde die Falcon einer umfassenden Überprüfung unterzogen. Bei dieser Inspektion des linken Triebwerks wurden Beschädigungen an einer Einspritzdüse in der Brennkammer festgestellt."

Hinter dieser offiziellen Information des DLR verbarg sich eine außerordentliche komplexe Fragestellung: Sind die beobachteten Beschädigungen normaler Verschleiß? Sind plötzlich Beschädigungen aufgetreten? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Durchfliegen der Aschewolke? Die Beantwortung der drei Fragen führte dann zu unterschiedlichen Konsequenzen. An erster Priorität stand im Moment die Aufklärung der Ursache. Zeitgleich wurden verschiedene Szenarien untersucht, um rasch zu handeln. Die Bandbreite reichte vom kompletten Triebwerksaustausch bis zum allgemeinen Flugverbot der Falcon. Und all das geschah unter erheblichem zeitlichen und politischen Druck. Gerade der Kommunikation mit den verschiedenen Stellen kommt in solch einer Situation eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere, wenn es um Verantwortung und Risikoabschätzung geht. Ist schon für mich die Perspektive des Vorstandsvorsitzenden ohne entsprechende Fachkenntnis nicht einfach, so ist es vielleicht nachzuvollziehen, dass Personen, die im Tagesgeschäft weniger mit Technik und Wissenschaft befasst sind, mit dem Verständnis noch größere Probleme haben und sich lieber auf Allgemeinplätze flüchten, gleichzeitig aber nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Nachdem mich die Techniker und Wissenschaftler bestens informiert haben, habe ich nach Rücksprache mit weiteren Vorstandsmitgliedern die beiden weiteren Messflüge freigegeben, wohl wissend, dass im Falle von Problemen die Schuldzuweisung zwangsläufig den Vorstandsvorsitzenden treffen müsse.

DLR Falcon20E. Image Credit: DLR.
DLR-Forschungsflugzeug Falcon20E. Bild: DLR.

Die Falcon ist schließlich wohlbehalten und mit vielen wichtigen Informationen am Freitagnachmittag, 23. April 2010, in Oberpfaffenhoffen gelandet. Vielen ist dafür zu danken, das werden wir noch gemeinsam feiern!

Envisat-Aufnahmen der Eyjafjallajoekull-Aschewolke (17-20 April 2010)Ich hoffe, dass sich die Gesamtsituation am Luftfahrthimmel bald entspannt und wir zur "normalen" Wissenschaft zurückkehren können. Gleichwohl werden die Vorgänge der vergangenen Tage für mich Anlass sein, die Frage der Dienstleistungen des DLR im Rahmen plötzlicher Krisensituationen organisiert anzugehen, damit wir uns noch besser einbringen können. Wir haben - auf Vorschlag von Staatssekretär Peter Hintze - schon jetzt eine Taskforce zur Bearbeitung der Themen Asche und Triebwerke unter Beteiligung von externen und internen Experten eingerichtet. Der nächste Schritt muss nun folgen. Ich habe dem Bundesverkehrsminister einen speziellen, jedezeit einsatzbereiten Dienst des DLR zur Klärung spezieller Sicherheitsfragen des Luftraums angeboten. Hierfür ist das DLR mit seinen Wissenschaftlern, seiner Ausstattung und seiner institutsübergreifenden Arbeitsweise von Atmosphärenforschung über Fernerkundung bis hin zu Antriebstechnik und Flugbetrieb bestens gerüstet. Auch zu diesen Themen sind wir über die Grenzen des DLR bereits mit verschiedenen Akteuren im Gespräch. Das Beispiel der letzten Woche hat gezeigt, wie innovative Wissenschaft und besondere Themenanfragen zu klaren Aussagen zusammengeführt werden können. Die offizielle Anfrage „Können Sie nicht einfach einen Flieger mieten?“ zeigt ein gewisses Unverständnis bezüglich der Komplexität der Technik und der wissenschaftlichen Anforderungen im Rahmen solcher Fälle. Hier gilt es, die Kommunikation zu verstärken.

Auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung etwa eine Woche lang so aussah, als habe es kein anderes Thema als die Vulkanasche gegeben, befasst sich das DLR gleichzeitig mit weiteren Themen in gleicher Intensität wie der Entwicklung Thermoelektrischer Generatoren, dem Vertragsabschluss zur Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) im Bereich Verkehr, der französisch-deutschen Klimamission Merlin, den Vorbereitungen zum Start der Erdbeobachtungsmission TanDEM-X, dem Aufbau eines Sicherheitsforschungsprogramms, weiteren Schritten zur Umsetzung der DLR-Strategie und der Konkretisierung der deutschen Raumfahrtstrategie - um nur einige Beispiele zu nennen.

Bild unten: Entwicklung der Eyjafjallajökull-Aschewolke im Zeitraum 17. bis 20. April 2010, aufgenommen vom Europäischen Umweltsatelliten Envisat. Quelle: ESA.

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Über den Autor

Im Jan-Wörner-Blog bloggte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich "Jan" Wörner, selbst. Seit dem 1. Juli 2015 ist er Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. zur Autorenseite