Schlierenphoto der Strömung in einem Rotorgitter bei Transschallströmung (noch mehr Schlierenphotos)
Die Strömungsvorgänge in einer Turbomaschine sind sehr komplex - nämlich instationär, turbulent und dreidimensional. Um sie einer detaillierten Untersuchung zugänglich zu machen, ist es notwendig, sie in Elemente aufzuteilen, die zunächst für sich untersucht werden. So ist es üblich, die Durchströmung der einzelnen Schaufelkränze isoliert zu untersuchen, wobei weitere vereinfachende Annahmen gemacht werden: z.B. wird das Strömungsmedium als ideales Gas behandelt und im jeweiligen Bezugsystem als stationär; d.h. die Strömung durch ein Leitrad betrachtet man als stationär im laborfesten Absolutsystem, die Strömung durch ein Laufrad betrachtet man als stationär im mitrotierenden Relativsystem.
Die Strömung durch Axialturbinen weist i.a. nur geringe radiale Geschwindigkeitskomponenten auf. Dann kann eine Stromfläche, als weitere Vereinfachung, durch einen koaxialen Zylinderschnitt angenähert werden. Damit ist ein Ringgitter definiert. Durch die Abwicklung des Zylinderschnittes in die Ebene entsteht ein unendlich langes gerades Gitter (siehe folgendes Bild). Ein Abschnitt aus dem unendlich ausgedehnten linearen Gitter kann in einem geeigneten Windkanal als 'Ebenes Gitter' besonders einfach untersucht werden.
Der Windkanal für Ebene Gitter ist ein hilfreiches und vor allem vielseitiges Instrument zur detaillierten experimentellen Untersuchung der Strömungsvorgänge in einer Turbomaschine. In den Windkanal für Ebene Gitter in Göttingen (EGG) können 8-20 Schaufeln eingebaut werden. Diese Vielzahl an Schaufeln ermöglicht eine gute Annäherung an das theoretisch geforderte unendlich ausgedehnte Gitter. In der folgenden Abbildung ist der Windkanal schematisch dargestellt.
Der Gitterwindkanal saugt Luft durch einen Silicagel-Trockner aus der Atmosphäre an. Nach dem Passieren eines Wabengleichrichters und zweier Siebe zur Vergleichmäßigung der Strömung wird die Luft in eine Beruhigungskammer (Vorkammer) geführt. Die folgende Einlaufdüse beschleunigt die Strömung auf die Gittereintrittsgeschwindigkeit. Nach der Messstrecke passiert die Strömung einen Verstelldiffusor, der zur Einstellung des Gegendruckes dient, danach folgt ein Abstellventil (O-Ring-Klappe) und schließlich erreicht die Strömung einen 10000 m³ fassenden Vakuumkessel. Dieser Vakuumkessel wird durch zwei Wasserringpumpen evakuiert.
Der Totaldruck im Eintrittsbereich des Gitters ist nahezu gleich dem atmospärischen Druck. Totaldruck, Totaltemperatur und Feuchtigkeitsgehalt der Zuströmung werden in der Vorkammer stromauf der Eintrittsdüse gemessen. Die eigentliche Messstrecke, bestehend aus der Eintrittsdüse, dem Gitter und dem Gitterträger, ist in eine große, begehbare Kammer eingebaut. Die Abmessungen des Strömungskanals in der Gitterzuströmung betragen 400 mm × 125 mm. Diese Abmessungen ermöglichen den Einbau von Gittern mit 8 bis 20 Profilen, abhängig vom Zuströmwinkel und der Schaufelteilung. Die Gitter werden zwischen zwei drehbare Kreisscheiben montiert. Diese Kreisscheiben bilden einen Teil der Seitenwände des Strömungskanals und durch Drehen der Kreisscheiben kann der Zuströmwinkel des Gitters variiert werden. Damit können Zuströmwinkel zwischen -80 und +80 Grad eingestellt werden. Die oberen und unteren Düsenbacken der Eintrittsdüse sind vertikal und horizontal verschiebbar und erlauben damit die Anpassung des Zuströmkanals an wechselnde Gitter und Zuströmwinkel. Durch eine Reihe von Druckbohrungen vor dem Gitter, wird der Druck in der Zuströmung gemessen und damit die Periodizität in Umfangsrichtung überprüft und die Zuströmmachzahl bestimmt.
Die Gitterabströmung wird nicht durch Tailboards geführt (Tailboards sind drehbare obere und untere Begrenzungen zur Führung der Abströmung), folglich kann sich der Abströmwinkel frei einstellen. Statt durch Benutzung von Tailboards wird am EGG versucht, die Periodizität der Abströmung durch eine möglichst große Anzahl von umströmten Gitterprofilen aufrecht zu erhalten. Im EGG sind Messungen bei Abströmmachzahlen bis weit in den Überschallbereich hinein möglich. Der statische Druck der Gitterabströmung wird durch den oben erwähnten Diffusor eingestellt und konstant gehalten. Dieser Gegendruck wird durch eine Druckbohrung in der Kammer gemessen. Da der Totaldruck der Zuströmung immer dem atmospärischen Druck entspricht, kann die Reynoldszahl nicht unabhängig von der Machzahl variiert werden.
Einige charakteristische Parameter des Windkanals sind in folgender Tabelle aufgeführt:
Um das Ausblasen von Kühlluft zu simulieren, stehen zwei zusätzliche Rohrstränge zur Verfügung, durch die eine definierte Gasmenge variabler Temperatur den Schaufeln zugeführt wird. In die Kühlluftstränge kann Druckluft oder ein anderes Gas eingespeist werden, wie z.B. CO2.
Die angewandten Messverfahren umfassen konventionelle Druck- und Sondenmessungen, aber auch Laser-Geschwindigkeitsmessungen (Laser-2-Fokus, PIV), Infrarotmessungen der Temperaturverteilung auf den Oberflächen, Heißfilmmessungen und Messungen des Wärmeübergangs mit einem dünnen Foliensensor, der doppelseitig mit Temperatursensoren bedampft ist.
Für die Messung der Gitterkennwerte, wie Umlenkwinkel, Abströmmachzahl und Verluste wird üblicherweise eine Keilsonde im Kanalmittenschnitt der Gitterabströmung eingesetzt. Aus den Sondenmesswerten können die örtlichen Strömungsgrößen bestimmt werden. Das so vermessene inhomogene Strömungsfeld wird nach einem Verfahren von Amecke, unter Anwendung der Erhaltungssätze für Masse, Impuls und Energie in ein homogenes Strömungsfeld umgerechnet:
Amecke, J., Safarik , P.: Data Reduction of Wake Flow Measurements with Injection of an Other Gas DLR-Forschungsbericht 95-32, Köln 1995
Zur Messung der Druckverteilung auf der Profiloberfläche wird eine Schaufel mit Druckanbohrungen (Durchmesser 0,3 mm) versehen. Grenzschichtmessungen auf der Profiloberfläche werden mit einer abgeflachten Pitotsonde vorgenommen, wobei ein spezielles, besonders steifes Sondenverschiebegerät verwendet wird. Alle Drücke (auch die der Sonden) werden praktisch gleichzeitig mit dem elektronischen Umschaltsystem der Firma PSI aufgenommen und in einem PC weiterverarbeitet.
Zur Strömungssichtbarmachung kommen zwei Verfahren zum Einsatz : das Ölanstrichverfahren, bei dem eine Oberfläche mit einem Gemisch aus Titandioxid und Öl besprüht wird und das Schlierenverfahren. Mit dem Ölanstrichverfahren kann die Richtung der Wandstromlinien sichtbar gemacht werden. Ein Schlierenbild zeigt die Dichtegradienten in einem zweidimensionalen Strömungsfeld. Dabei wird die physikalische Eigenschaft genutzt, dass Dichteänderungen mit der Änderung des Brechungsquotienten des Lichtes einhergehen. Beim Schlierenverfahren werden auf diese Weise Dichteänderungen in Helligkeits- oder Farbänderungen umgesetzt und in einem Foto oder Videobild gespeichert. Starke Effekte kompressibler Strömungen, wie Ablösungen und Verdichtungsstöße werden damit besonders deutlich sichtbar.
Betrieb des EGG mit geschlossenem Kreislauf:
Reynolds- und Machzahlbereich des EGG bei Betrieb im geschlossenen Kreislauf
In der Zukunft sind deutlich höhere Belastungen für die Niederdruckturbine in einem Flugzeugtriebwerk, mit dann transonischer Durchströmung der Schaufelreihen, zu erwarten. Um den Windkanal für Ebene Gitter auch weiterhin zur Unterstützung von Auslegungsprozessen (z. B. für Schaufelprofile) und Detailuntersuchungen an einfachen Modellen für Hoch- und Niederdruckturbinen einsetzen zu können, wurde dieser zusätzlich an die neue Kompressoranlage des NGTurb angeschlossen. Das hohe Verdichterdruckverhältnis und der geschlossene Kreislauf ermöglichen so deutlich höhere Machzahlen (wichtig bei Experimenten mit Außenschnittgittern von Dampfturbinen) und die unabhängige Variation von Mach- und Reynoldszahl. Damit können insbesondere auch Schaufelprofile von Niederdruckturbinen unter realen Mach- und Reynoldszahlen im EGG untersucht werden.