Deutsches Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC)
Mehr als fünf Jahrzehnte Erfahrung mit Raumfahrtmissionen
Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München kann auf eine herausragende, langjährige Erfahrung zurückschauen: Es ist seit 1969 für den Betrieb von Raumfahrzeugen verantwortlich, wobei es an zahlreichen unbemannten und bemannten Missionen maßgeblich beteiligt war und ist. In den vergangenen Jahren ist die Vorbereitung und Durchführung von Erdbeobachtungsmissionen als neuer Schwerpunkt hinzugekommen. So wurden seit dem Jahr 2000 die Satelliten CHAMP, BIRD und GRACE (Gravity Recovery And Climate Experiment, zwei Satelliten) gestartet und betrieben. In 2007 startete der deutsche Radarsatellit TerraSAR-X, der hochwertige Radardaten der Erdoberfläche liefert. In 2010 kam der Radarsatellit TanDEM-X hinzu, der mit seinem Zwillingssatelliten TerraSAR-X im Formationsflug betrieben wird. Außerdem startete in 2022 der Hyperspektralsatellit EnMAP, der in Oberpfaffenhofen gesteuert und überwacht wird.
Die Aufgaben des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums
Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum ist mit rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die herausragende Raumfahrt-Einrichtung am DLR-Standort Oberpfaffenhofen. Es ist mit der Vorbereitung und Durchführung von nationalen und internationalen Raumfahrtmission seit über fünf Jahrzehnten auch das zentrale Element der Raumfahrtaktivitäten in Deutschland. In den vielfältigen bemannten und unbemannten Missionen ist es dabei zuständig für:
- die Steuerung und Überwachung von Raumfahrzeugen, deren Sub-Systemen und von Experimenten an Bord,
- die Kommunikation zwischen Raumfahrzeugen, Bodenstationen und Kontrollzentren,
- die Verfolgung (Tracking) und Berechnung der Flug- und Umlaufbahnen,
- die Planung und Ausführung von Korrekturen der Flug- und Umlaufbahnen,
- den Empfang, die Verarbeitung, Verteilung und Auswertung von Daten,
- die Missionsplanung, das heißt die Planung des Betriebsablaufs an Bord und am Boden
Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum sieht sich dabei in der Verantwortung im Rahmen der Zielsetzungen des nationalen Deutschen Raumfahrtprogramms zu handeln. Dabei werden sowohl internationale Verpflichtungen (zum Beispiel in Projekten der Europäischen Weltraumorganisation ESA und bei dem Betrieb des Weltraumlabors Columbus auf der Internationalen Raumstation ISS) oder in Kooperationen (zum Beispiel beim Satellitenprojekt GRACE mit der amerikanischen Weltraumbehörde NASA) erfüllt als auch Projekte im Bereich kommerzieller Systeme (wie zum Beispiel bei TV-SAT, DFS, EUTELSAT) realisiert. So werden kommerzielle, wissenschaftliche und bemannte Missionen am Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum parallel durchgeführt. Dadurch profitieren die unterschiedlichen Projekte wechselseitig von den übergreifenden Kompetenzen und Strukturen des ausgereiften und vielfach bewährten Multi-Missionsbetriebs.
Leistungsfähig und flexibel - Multi-Missionsbetrieb und Matrix-Prinzip
Die Organisation des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums und die Projektbearbeitung basieren auf der Erfahrung aus früheren Raumflugprojekten und folgen dem Matrix-Prinzip. Dabei werden die Projekte dedizierten Projektgruppen zugeordnet, die sich aus Vertretern der relevanten technischen Abteilungen zusammensetzen beziehungsweise von diesen unterstützt werden. Diese Aufgabenverteilung garantiert ein hohes Maß an verfügbarer Kompetenz und Flexibilität und ermöglicht eine klare Zuordnung der Ressourcen gemäß den Anforderungen der Projekte. Dies bedeutet, dass für jedes neue Projekt von der Abteilung Missionsbetrieb ein Projekt-Manager ernannt wird, der von den Projektingenieuren der entsprechenden technischen Abteilungen unterstützt wird. Diese Projektgruppe nimmt sich dann aller Arbeiten an, die für die Vorbereitung und Durchführung der geplanten Mission ausgeführt werden müssen.
Durch das Multi-Missionskonzept wird einerseits sichergestellt, dass genügend Einrichtungen und Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Missionen ohne Kapazitätsprobleme vorbereiten und durchführen zu können. Andererseits können zahlreiche Ressourcen gemeinsam mit anderen Projekten genutzt werden, was sich auch in einer erhöhten Betriebszuverlässigkeit und geringeren Kosten manifestiert.
Seit 1968 Erfahrung und Kompetenz bei zahlreichen wissenschaftlichen Raumfahrtmissionen
Erfahrung und Kompetenz des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums wurden durch die Vorbereitung und Durchführung unterschiedlichster Missionen seit 1968 kontinuierlich aufgebaut und erweitert.
Die erste Mission des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums begann am 8. November 1969, mit dem Start des Satelliten AZUR, der die Strahlungsgürtel der Erde durchflog. Dieser Mission folgten die beiden Aeronomie-Satelliten AEROS A und B (1970 bis 1974). Kontinuität auf dem Gebiet der erdnahen Missionen wurde durch die erfolgreiche Mission des „Active Magnetospheric Particle Explorer“ AMPTE (1984 bis 1986) erzielt. Von 1990 bis 1999 wurde der Röntgensatellit ROSAT unter Nutzung der DLR-Bodenstation in Weilheim und der NASA-Bodenstation in Wallops betreut. Zurzeit werden die Erdbeobachtungssatelliten BIRD, CHAMP, GRACE 1 und GRACE 2 in einem effizienten Multi-Missionsbetrieb betrieben. Die Mission TerraSAR-X mit einem hochauflösenden Radarsatelliten startete am 15. Juni 2007 und fliegt seit dem 21. Juni 2010 mit seinem Zwillingssatelliten TanDEM-X im Formationsflug. Auch der hyperspektrale Erdbeobachtungssatellit EnMAP, gestartet am 1. April 2022, wird seitdem von Oberpfaffenhofen aus gesteuert und überwacht.
Auf dem Gebiet der interplanetaren Raumfahrt war das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum für die HELIOS A und B Missionen zur Sonne (1974 und 1976 gestartet) verantwortlich. Die Sonden näherten sich der Sonne bis auf 0,28 Astronomische Einheiten (eine Astronomische Einheit (AU) entspricht dem mittleren Abstand der Erde bis zum Zentrum der Sonne). Eine Konsequenz dieser erfolgreichen Missionen war die Unterstützung der ESA-Mission GIOTTO, bei der die 30 Meter S-Band Antenne des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums in Weilheim zum Einsatz kam. Bei der Jupiter-Mission GALILEO der NASA überwachte das Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen das „Retro Propulsion Module“ (RPM).
Seit 1983 Erfahrung in der Betreuung bemannter Missionen
Zu einem weiteren bedeutenden Aktivitätsfeld des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums mit bereits einunddreißigjähriger Expertise hat sich die bemannte Raumfahrt entwickelt. In diesem Bereich nahm es mit der Vorbereitung für den Betrieb des Columbus-Forschungsmoduls auf der Internationalen Raumstation ISS eine Spitzenstellung in Europa ein. Während der ersten Spacelab-Mission „FSLP“ (1983) war das Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen als Nutzerzentrum an das Houston Control Center mit angebunden. Bei der ersten deutschen Spacelab-Mission D1 fungierte es 1985 als „Payload Operations Control Center“ (POCC). Es demonstrierte damit erfolgreich die Qualifikationen und Funktionen eines Kontrollzentrums, speziell für die europäische Wissenschaft. Bezüglich der wissenschaftlichen Aspekte wurde die deutsche Spacelab D1-Mission allein vom Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum durchgeführt: Es war damit das erste Kontrollzentrum in der westlichen Hemisphäre, das außerhalb der USA direkt in bemannte Raumflugmissionen eingebunden wurde.
Für die deutsche Spacelab D2-Mission im April 1993 wurde in Oberpfaffenhofen ein neues Gebäude mit modernen Einrichtungen entworfen und gebaut. Außerdem wurde es für bemannte ESA-Missionen, wie zum Beispiel EUROMIR, genutzt. Ein weiterer Meilenstein der bemannten Raumfahrtmissionen im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum war die Space Shuttle Mission SRTM mit dem deutschen ESA-Astronauten Gerhard Thiele im Jahre 2000. Ihm folgten die deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst mit den Missionen Blue Dot (2014) und Horizons (2018) sowie Matthias Maurer mit der Mission Cosmic Kiss (2021-2022).
Aufgrund der in Europa einzigartigen Erfahrungen auf dem Gebiet der bemannten Raumfahrt hat die ESA das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum für den Betrieb des Columbus-Forschungsmoduls ausgewählt, den wichtigsten Beitrag Europas zur Internationalen Raumstation ISS.
Die strengen und hohen Anforderungen der bemannten Raumfahrt an das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum haben über eine lange Zeit hinweg zur Umsetzung zahlreicher neuer und innovativer Konzepte und Maßnahmen geführt, die insgesamt Systemverfügbarkeit und Betriebssicherheit erhöhten. Dies kommt auch wichtigen Anforderungen in anderen Projekten zugute.