30. Juni 2022 | Zehn Jahre maritime Sicherheitsforschung im DLR

Satellitengestützte Dienste zum Schutz unserer Seewege

  • Der Schutz der globalen Seewege ist strategisch und operativ von großer Bedeutung.
  • Ziel der Forschung des DLR: technische Lösungen zur Unterstützung der maritimen Akteure im Hinblick auf die Zuverlässigkeit von Systemen und im Sinne eines umfassenden Lagebildes.
  • Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang die satellitengestützte Navigation und Fernerkundung.
  • Schwerpunkt: Sicherheit

Sicherer navigieren

Globale Satellitennavigationssysteme (GNSS) sind die primäre Quelle für nahezu alle Anwendungen in der Schifffahrt, die Informationen für die Positionierung, Navigation und Zeitsynchronisation (PNT) benötigen. Alle Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von mehr als 500 sind auf GNSS-Signale zur Navigation angewiesen. Bei einem Ausfall von GNSS oder Systemstörungen muss sichergestellt werden, dass die Navigation weiterhin möglich ist. Als Schlüsselelemente fungieren in diesem Kontext Multisensor- sowie Backup-Systeme.

Als Alternative zu GNSS entwickelt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) seit einigen Jahren zusammen mit internationalen Partnern in der Ostsee das Testfeld R-Mode-Baltic . Seit 2022 ist es operativ einsetzbar. Weltweit ist es das erste System, mit dem Informationen zur Entfernungsmessung auf Basis von Mittelwellensignalen des maritimen GNSS-Korrekturdatendienstes gesendet werden. Damit werden Schiffe im sensiblen Küstenbereich künftig auch unabhängig von GNSS navigieren können.

Auch bei den Entwicklungen zum autonomen Fahren in der Schifffahrt spielt GNSS eine zentrale Rolle. Hier entwickelt und erprobt das DLR aktuell Algorithmen zur zentimetergenauen Positionierung und Navigation. Zudem müssen dabei verbleibende Messfehler auf Basis von Multisensorverfahren abgeschätzt werden, um zum Beispiel die Sicherheit bei der Durchfahrt unter Brücken oder bei vollautomatischen Anlegemanövern bzw. beim vollautomatischen Schleusen zu gewährleisten. Das DLR-Institut für Kommunikation und Navigation hat dazu mit Partnern bereits eine Reihe von Assistenzsystemen mit dem Fokus auf die Binnenschifffahrt entwickelt. Im Kontext der Sicherheit beim Befahren engerer Fahrwasser hat das DLR im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA darüber hinaus ein neues Konzept für adaptive Sicherheitslevel bei der Ein- und Ausfahrt von Schiffen in Häfen entwickelt. Adaptiv bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich der Grenzwert zwischen Sicherheitsleveln in Abhängigkeit zur Verkehrslage anpassen bzw. verschieben lässt.

Bessere Lagebilder

Im Rahmen des Copernicus-Programms der Europäischen Union werden seit 2014 eine Reihe von Satellitensystemen für verschiedene Kerndienste gestartet, unter anderem zur Überwachung der Meeresumwelt. Allein 2020 wurden von der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) etwa 16.000 Satellitenaufnahmen für Schiffsdetektion und Öl-Monitoring eingesetzt.

Gemeinsam mit European Space Imaging (EUSI) ist das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR im Bereich der hochaufgelösten optischen Sensoren seit nunmehr zehn Jahren ein verlässlicher Partner und liefert täglich hochwertige Produkte für zeitkritische Anwendungen. Neben den multispektralen Sensoren werden auch hyperspektrale Daten von DESIS und zukünftig von EnMAP genutzt, um Gefahrstoffe besser differenzieren zu können.

Darüber hinaus entwickelt die DLR-Forschungsstelle für Maritime Sicherheit in Bremen Verfahren zur automatisierten Auswertung von Radarsatellitendaten. Radarsignale sind unabhängig von Tageslicht und dringen auch durch Wolken. Sie liefern besonders zuverlässig Rohdaten, aus denen Software schnell und automatisch maritime Lagebilder erstellt. Die abgeleiteten Informationen stehen somit in Nahe-Echtzeit (NRT) zur Verfügung.

So werden beispielsweise Daten des Copernicus-Satelliten Sentinel-1 in in der DLR-Bodenstation in Neustrelitz noch während des Überflugs über Nord- und Ostsee empfangen und verarbeitet. Die Datenprodukte werden an behördliche Nutzer wie den Meteorologischen Dienst des Marinekommandos oder den Eisdienst des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie weitergegeben. Auch das Forschungsschiff „Polarstern“ des Alfred Wegener-Institutes greift für die Navigation im Eis auf DLR-Satellitendatenprodukte zurück. Auf den Bildern sind die offenen Kanäle zwischen Eisschollen und Bereichen mit dünnem Eis zu erkennen.

In Projekten wie Eisklass2 und FAST-CAST-2 erforscht das DLR Methoden zur zuverlässigen Unterscheidung weiterer Eisklassen sowie Assistenzsysteme für optimale Routen durch das Eis. So halfen vor Kurzem Satelliteninformationen über die Meereisdrift bei der Navigation durch das Eis, sodass das Wrack der geschichtsträchtigen „Endurance“ des Britischen Polarforschers Ernest Shackleton gefunden werden konnte.

Ölverschmutzung vor Nigeria nach Sinken der Plattform "Trinity Spirit"
Im Februar 2022 sank vor der Küste Nigerias nach einer Explosion das Schiff „Trinity Spirit“, eine Schwimmende Produktions- und Lagereinheit für Öl. Mit Hilfe einer Zeitreihe von Aufnahmen der Satelliten Landsat 8 und 9 lässt sich zeigen, dass nachfolgend noch monatelang Öl ausgetreten ist. Für die Animation wurden Echtfarbenbilder so bearbeitet, dass die Verschmutzung deutlicher sichtbar ist.
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DLR/Landsat

Verschmutzungen der Meere mit Öl und anderen Schadstoffen sind global ein großes Umweltproblem. Oft wird darüber aus aktuellem Anlass berichtet, beispielsweise nach einer Havarie. Einige Verunreinigungen finden jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg statt. Diese Animation, basierend auf den Auswertungen der DLR-Forschungsstelle Maritime Sicherheit in Neustrelitz , zeigt ein Beispiel einer weniger bekannten und andauernden Verschmutzung: Im Februar 2022 sank vor der Küste Nigerias nach einer Explosion das Schiff „Trinity Spirit“, eine Schwimmende Produktions- und Lagereinheit für Öl. Mit Hilfe einer Zeitreihe von Aufnahmen der Satelliten Landsat 8 und 9 lässt sich zeigen, dass nachfolgend noch monatelang Öl ausgetreten ist. Für die Animation wurden Echtfarbenbilder so bearbeitet, dass die Verschmutzung deutlicher sichtbar ist. Wolken, Wolkenschatten, Strömungen und Trübungen erschweren die Bildinterpretation, daher sind die mutmaßlichen Ölflächen hervorgehoben.

Das DLR ist das deutsche Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt, Energie und Verkehr. Die Digitalisierung und Sicherheitsforschung im DLR stellen sowohl einen eigenen Bereich als auch eine Querschnittsaufgabe im DLR dar. Die Verzahnung der Kompetenzen aus den „klassischen“ DLR-Domänen Raumfahrt, Luftfahrt und Sicherheit in der Programmkoordination Sicherheits- und Verteidigungsforschung bildet die Grundlage, das Wissen und die Kompetenzen des DLR auch im Kontext der maritimen Sicherheit zu entwickeln. Der Forschungsbereich Verkehr des DLR wird in der Fortführung des Themenkomplexes umfangeiche Arbeiten im Bereich der maritimen Forschung einbringen. Das stärkt den Forschungsverbund am DLR.

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Co-Leiter Programmkoordination Sicherheits- und Verteidigungsforschung (kommissarisch)
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
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