Interview: 6 Fragen, 7 Antworten

„Ein neuer kompakter Sensor, der erstmals in Schwerelosigkeit verschränkte Atome nutzen wird“

Alexander Fieguth

Studium: Physik

Jetzt: Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik

Der promovierte Physiker Alexander Fieguth kam 2023 zum DLR-Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik in Hannover. In der Abteilung Optische Frequenzmetrologie arbeitet er im Bereich der atomaren Quantensensoren.

Im Interview gibt er uns einen Einblick.

Alex, worauf freust du dich, wenn du morgens zur Arbeit kommst?

Alex: Auf abwechslungsreiche Probleme, die es zu lösen gilt. Als gelernter Experimentalphysiker, der an der vordersten Front der technologischen Entwicklung im DLR tätig sein darf, steht man immer wieder vor neuartigen Fragestellungen, was per se keine Langeweile im Alltag aufkommen lässt. Und natürlich auf den Kaffee aus unserer hochproduktiven Siebträgermaschine!

Woran forschst oder arbeitest du?

Alex: Ich bin hauptsächlich im Projekt INTENTAS tätig. Bei diesem Projekt geht es um die Verbesserung von Atominterferometern, um z.B. hochpräzise Messungen des Erdgravitationsfeldes aus dem Weltall zu ermöglichen. INTENTAS ist dabei darauf ausgerichtet zu zeigen, dass die so genannte Verschränkung, ein fundamentales Konzept der Quantenmechanik, zur Verbesserung dieser Atominterferometer genutzt werden kann.

Die Verschränkung von Atomen in Schwerelosigkeit kann zur Verbesserung der Sensitivität von Atominterferometern und Atomuhren genutzt werden

Bisher wurde die Verschränkung von Atomwolken nur in umfangreichen Experimenten unter sehr speziellen Laborbedingungen beobachtet. Wir bauen nun im Rahmen des Projekts einen neuen kompakten Sensor, der erstmals in Schwerelosigkeit verschränkte Atome nutzen wird. Die schwerelose Umgebung bietet hierbei der Einstein-Elevator, ein spezieller Aufzug, in dem Experimente in nahezu Schwerelosigkeit (ein Millionstel der normalen Gravitationskraft) mit hoher Wiederholungsrate durchgeführt werden können. Zusätzlich gelten in dieser Umgebung Einschränkungen bezüglich Platz und Gewicht, die wir nutzen können, um die Anforderungen an die Kompaktheit eines solchen Sensors für zukünftige Satellitenmissionen auszutesten.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?

Alex: Im Moment befinden wir uns in der Aufbauphase des Experiments. Das bedeutet, dass mein Arbeitstag hauptsächlich aus Laborarbeit besteht, sei es um an der Hardware zu tüfteln, Software zu programmieren oder erste Messungen zur Kalibrierung durchzuführen. In naher Zukunft wird dann der Betrieb des Experiments, die Auswertung der Ergebnisse im Einstein-Elevator und die Veröffentlichung unserer Arbeit hinzukommen.

6 Fragen, 7 Antworten
Am Einstein-Elevator im HiTec in Hannover

Wo und wie können deine Forschungsergebnisse/deine Arbeit eingesetzt werden?

Alex: Die Verschränkung von Atomen in Schwerelosigkeit kann zur Verbesserung der Sensitivität von Atominterferometern und Atomuhren genutzt werden. Die Anwendung dieser Instrumente findet sich nicht nur in der Erforschung grundlegender Naturkonzepte, wie z.B. der genauen Vermessung der Gültigkeit der allgemeinen Relativitätstheorie oder der Astronomie, beispielsweise als neuer Weg zur Gravitationswellendetektion, sondern auch in aktuellen und zukünftigen Anwendungen. Bereits heute liefern Atomuhren im All und auf der Erde hochpräzise Zeitsignale, um Navigationssysteme wie z.B. Galileo zu ermöglichen. Aber auch eine äußerst genaue Navigation ohne Satelliten kann durch verbesserte Atominterferometer ermöglicht werden.

Darüber hinaus ist die hochpräzise Vermessung des Erdschwerefelds als eine Anwendung zu nennen, die von einer höheren Genauigkeit der Instrumente profitieren wird. Dies kann dann unter anderem zur Verbesserung von Klimamodellen oder unser Verständnis von der Zusammensetzung der Erde genutzt werden.

Besonders erfüllend sind die Momente, wenn man merkt, dass die kleinen Teile wie Zahnrädchen anfangen ineinanderzugreifen und das Gesamtprojekt immer mehr Formen annimmt

Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Arbeit wird sich in der Kompaktheit der Sensoren niederschlagen. Dadurch können wir dann ermöglichen, dass die Technologie aus den Laboren in den mobilen Einsatz (z.B. auf Satelliten, in Schiffen etc.) überführt werden kann.

Was sind die Höhepunkte deiner Arbeit?

Alex: Höhepunkt meiner Arbeit ist es sicherlich, wenn etwas, das was wir uns in Gedanken oder auf dem Papier ausgedacht haben, dann auch in der realen Welt funktioniert. Besonders erfüllend sind die Momente, wenn man merkt, dass die kleinen Teile wie Zahnrädchen anfangen ineinanderzugreifen und das Gesamtprojekt immer mehr Formen annimmt. Natürlich verläuft die Umsetzung selten reibungslos und es tauchen vielfältige Herausforderungen auf. Doch, wie eingangs erwähnt, liegt genau darin einer der spannendsten Teile meiner Tätigkeit: mit Kreativität im Team diese Hindernisse zu bewältigen.

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Steht als Experimentalphysiker im Projekt INTENTAS immer wieder vor neuartigen Fragestellungen: Alexander Fieguth

Welche Spezialfähigkeit kannst du hier gut einsetzen?

Alex: Ich glaube, als gelernter Experimentalphysiker kommen zwei erlernte Fähigkeiten in meinem Beruf sehr häufig zum Zug. Zum einen ist dies eine analytische Herangehensweise an Probleme, die oft aufgrund ihrer Komplexität sehr viele mögliche Wege bereitstellen. Dabei gilt es, die Sackgassen früh genug zu erkennen und die Optionen zu wählen, die einen effektiven Weg zur Lösung bieten. Zum anderen gehört dann eine ordentliche Portion Frustrationstoleranz dazu, denn vermutlich vergeht kein Tag, an dem sich nicht eine vielversprechende Lösung als Sackgasse herausstellt.

Was ich noch sagen möchte:

Alex: Ich bin zwar gelernter Experimentalphysiker, habe aber in meiner Laufbahn vor dem DLR an ganz anderen Problemstellungen gearbeitet. Ich glaube, dass man generell keine Angst davor haben sollte, sich in neue Themengebiete vorzuwagen, da die Fähigkeiten, die man in anderen komplexen Kontexten erlernt hat, oft wichtiger sein können als spezielles Fachwissen. Ich schätze es jedoch sehr, dass die hilfsbereiten und überaus kompetenten Kollegen am DLR-Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik es mir dieses Mal sehr leicht gemacht haben, Fuß zu fassen.